Der Wecker klingelt früh. Es ist nicht mal vier Uhr morgens und hat laut Thermometer bereits -11 Grad draußen. Der Winter ist in vollen Zügen im Chiemgau angekommen. Obwohl das Bettchen schön warm ist, geht es raus in die Nacht. Gute 1000 Höhenmeter liegen vor uns, gespickt mit jeder Menge Neuschnee. Die Lawinengefahr ist gering, das checke ich natürlich vorab.
Gegen 5 Uhr kommen wir am Parkplatz an und sind erstaunt: bereits auf den ersten Höhenmetern liegt deutlich mehr Schnee als erwartet. Zum Glück geht es erst eine ganze Weile die geräumte Forststraße bergauf, bis wir den ausgebauten Weg verlassen. Aber hier wird der Schnee schon kniehoch. Zum Glück ist es Pulverschnee und noch angenehm zu gehen. Als wir in den Wald kommen, liegt etwas weniger Schnee auf dem Boden, dank der Bäume. Doch wir wissen, dass es weiter oben zäh werden könnte. Daher haben wir eine ganze Stunde mehr Zeit eingeplant für den Aufstieg. Als wir aus dem Wald rauskommen, sind wir eigentlich wenig überrascht: die Schneeverwehungen auf den freien Hängen sind teilweise meterhoch. Das Atmen schmerzt, denn die Luft ist eiskalt und das Laufen wird immer anstrengender. Obwohl ich diesen Weg schon einige Male gegangen bin, finden wir uns erst nicht zurecht und irren in den Schneemassen umher. Bis zu den Hüften sinken wir ein. Niemand war vor uns hier. Keine einzige Spur ist zu sehen. Wir erahnen den Weg und kämpfen uns weiter durch das kalte Weiß. Der Hang wird immer steiler und obwohl wir die Lawinengefahr gecheckt haben, wird es uns hier und da doch etwas mulmig bei dem steilen Anstieg im meterhohen Schnee.
Irgendwann erreichen wir zum Glück den rettenden Wald und haben auch den Weg wiedergefunden. Doch es wird bereits ganz langsam hell am Horizont. Wir haben durch den vielen Schnee und die kurze Orientierungslosigkeit viel Zeit verloren. Bis zum Gipfel sind es noch gute 200 Höhenmeter. Ich fange bereits auf dem Weg an die ersten Bilder zu machen, da die blaue Stunde schon anfängt. Es ist ein unglaublich schöner Anblick! Die Bäume sind tief verschneit und Nebel zieht durch die Täler. Die umliegenden Berge zeigen sich. Das pastellfarbene Pink am Himmel bringet auch den Schnee zum leuchten. Wahnsinnig schön! Wir sind schon gut 2,5 Stunden unterwegs und meine Kräfte lassen langsam nach. Mein Getränk ist fast gefroren, so kalt ist es hier oben. Gefühlte -18 Grad in etwa. Doch ich habe eine Bildidee im Kopf und muss zum Gipfel. Ich haste den Berg hinauf, meine Lunge schmerzt immer mehr wegen der Anstrengung und der eiskalten Luft. Meine Beine fühlen sich an wie Gummi. Aber ich gehe immer weiter. Ich frage mich, wann endlich das Gipfelkreuz kommt. Aber es kommt und kommt nicht. Es wird heller und ich fange immer wieder das Joggen an, um es rechtzeitig zu schaffen. Nach einer gefühlten Ewigkeit sehe ich endlich das Kreuz. Ich will noch schnell außenrum gehen, damit ich mir keine Fußspuren in das eigene Motiv mache. Der Schnee ist hier so tief, dass ich immer wieder stecken bleibe. Meine Kräfte sind am Ende. Für die paar Meter brauche ich einige Minuten. Gerade noch rechtzeitig, als die Sonne kommt, bin ich da wo ich sein will und kann die Bilder machen, die ich schon lange machen wollte. Das war auf den allerletzten Drücker!
Nebel steigt auf und das Licht ist einfach fantastisch! Zudem war niemand vor uns hier und ich habe diesen Gipfel noch nie mit unberührtem Neuschnee vorgefunden. Perfekte Bedingungen! Nachdem ich noch eine ganze Weile fotografiert habe, genießen wir auf der Hütte einen heißen Kaffee und etwas zu Essen. Meine Daunenjacke ist komplett nass durch den Nebel und leicht gefroren, ebenso mein Rucksack. Zum Glück habe ich eine Ersatzjacke dabei. So machen wir uns ausgeruht, gestärkt und trocken an den Abstieg. Was für ein toller Beginn in den Tag und ein wahrhaft märchenhafter Wintermorgen in den heimischen Bergen.